Katerstimmung nach Pflegeberufereform

Interview zur Pflegeberufereform bei Phoenix

Katerstimmung nach Pflegeberufereform

Nun ist sie beschlossen, die Pflegeberufereform. Die eierlegende Wollmilchsau der Pflege. Wird nun endlich alles gut? Ich hab da so meine Zweifel.

Zum einen ist keiner glücklich mit diesem windigen Kompromiss. Diejenigen, die für die Generalistik sind, genauso wenig wie die Gegner. Ich habe Stimmen gehört, die sagten: Egal was kommt, Hauptsache es kommt jetzt noch was. Wie bitte? Das hat mich ehrlich gesagt entsetzt. Ebenso hat mich der gesamte Umgang miteinander in der Diskussion um die Pflegeberufereform entsetzt. Wir hatten es immer weniger mit einer fachlichen und sachlichen Diskussion zu tun. Nein, es wurde stattdessen ein wahrer Glaubenskrieg.

Ich kann nach 12 Jahren Pflegepolitik von keiner anderen Debatte berichten, die derart emotional und persönlich geführt wurde. Schwarz-Weiß, Freund-Feind, Pro-Contra. Vorurteile wurden gepflegt, Gerüchte gestreut. Dabei ist viel Porzellan zerschlagen worden. Schade, denn ich bin nach wie vor der Auffassung, dass uns, die wir für gute Arbeitsbedingungen für Pflegende und eine menschenwürdige Pflege an sich kämpfen, mehr eint als uns trennt.

Quantität nicht Qualität soll entscheiden.

Nun haben auch die Länder zugestimmt – „ohne Begeisterung“, wie die Ärztezeitung schreibt. Alles in trockenen Tüchern? Ich habe jedenfalls noch viele Fragen. Wir haben es zukünftig mit einer Krankenpflege zu tun, die generalistisch sein wird. Krankenpflegerinnen und -pfleger werden ihre Ausbildung also als Pflegefachfrauen und –männer abschließen. Die Ausbildung in der Altenpflege und in der Kinderkrankenpflege wird es sechs Jahre lang parallel dazu weiter geben. Dann soll das Gesetz evaluiert werden. Wenn sich weniger als 50% für die spezialisierte Ausbildung (Altenpflege oder Kinderkrankenpflege) entschieden haben, muss der Deutsche Bundestag diskutieren, wie es mit den Spezialisierungen weitergeht. Bei weniger als der Hälfte sieht die Reform vor, die besonderen Regelungen für die spezialisierten Abschlüsse wieder aufzuheben. Das ist eine Entscheidung nach Quantität und nicht nach Qualität. Das kann nun wirklich keiner wollen.

Alle weben am Flickenteppich Pflege.

Besonders interessant ist, dass es nach zwei Jahren eine „Zwischenprüfung“ geben wird. Es soll sich hier um eine reine Wissensabfrage handeln, deren Bestehen nicht Bedingung für die Fortführung der Ausbildung ist. Allerdings können die Länder die mit der Zwischenprüfung ermittelten Kompetenzen im Rahmen einer Pflegehelfer- bzw. Pflegeassistenzausbildung anerkennen. Und das macht die Sache spannend. Bedeutet das von hinten durch die kalte Küche mehr Assistenzausbildungen und damit weniger Pflegefachkräfte? Und das vielleicht bei Anrechnung auf die Fachkraftquote und damit billiger? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Länder werden das unterschiedlich handhaben und munter geht es weiter mit dem „Flickenteppich Pflege“ in Deutschland.

Reform beschlossen, Inhalt unbekannt.

Das Ganze soll 2020 starten. Noch wissen wir nicht einmal, was in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung überhaupt drin stehen soll und wird. Es ist Aufgabe des nächsten Bundestages, darüber abzustimmen. Wir haben also jetzt eine Pflegeberufereform beschlossen, deren Inhalt wir gar nicht kennen. Hallo!

Ich bedauere es zutiefst, dass hier in letzter Sekunde ein halbherziges Gesetz beschlossen wurde. Es wird nicht annähernd der großen Verantwortung gerecht, die wir alle im Bereich Pflege tragen. Dieses Gesetz wird bis in den letzten Winkel unseres Landes ausstrahlen und Auswirkungen auf die gesamte pflegerische Versorgung haben. Katerstimmung macht sich breit, denn hier ging Parteipolitik vor Fachlichkeit.

Ihre

7 Comments
  • Hildegard Hoogestraat

    5. Dezember 2017 at 22:19 Antworten

    Schade das die Herren die dieses beschlossen haben,selbst wahrscheinlich als bestumsorgte Privatpatienten im Krankenhaus landen werden!!

    Die Kinderkrankenpflege hat lange Jahre um ihre Eigenständigkeit gekämpft!! Kinder sind keine kleinen Erwachsenen !! Obwohl nicht mehr berufstätig !!Gott sei dank!! Ärgere ich mich sehr über diese dummen Beschlüsse! Für
    ,alle Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeheimen !! Es wird dringend Zeit für durchschaubare ,klare und für alle verbindliche Pflegeschlüsse in allen Pflegebereichen!!

    Schade das einst qualifizierte Berufe so kaputt gemacht Werden!!

    Schade das einst qualifizierte Berufe so kaputt gemacht Werden !!

  • Jürgen Ramin

    18. Juli 2017 at 0:56 Antworten

    Da fällt mir spontan ein Stromberg Zitat ein: „Wenn Du schon auf der Titanic fährst, dann setzt Du am besten noch Hein Blöd ans Steuer“!
    Wenn ich das richtig verstanden habe, stelle ich als Arbeitgeber zukünftig Schüler ein, von denen ich nicht weiß, was sie am Ende ihrer Ausbildung sind ?!? Unsere Schüler werden von meinem Betrieb finanziert und heraus kommt dann eine Pflegefrau, oder Pflegemann, vielleicht auch ein Altenpfleger, oder evt. eine Kinderkrankenschwester. Häh? Wenn unser Schüler die „Zwischenprüfung“ nicht schaffen sollte, ist er einfach garnix? Vielleicht aber Pflegehelfer, je nach Bundesland?!?
    Soweit ich weiß, ist dann ein Abschluss nach 2 Jahren Ausbildung auch keine Ausbildung, sondern lediglich ein angelernter Beruf. Es ist vollbracht, jetzt haben wir die Pflege gegen die wand gefahren.

    • Elisabeth Scharfenberg

      18. Juli 2017 at 10:24 Antworten

      Ich sehe diese Punkte genauso kritisch wie Sie. Der jetzt beschlossene Kompromiss unterscheidet sich damit auch wesentlich von unserem Vorschlag einer integrativ-gestuften Ausbildung, der keine solche Benachteiligung der Altenpflege beinhaltet hätte.

  • Michael Sprenger

    17. Juli 2017 at 23:08 Antworten

    Die Probleme in den Pflegeberufen sind tiefgreifend und über Jahre von Arbeitgebern und Politik ignoriert worden. Derzeit fällt das Kind in den Brunnen, frei werdende Stellen sind immer länger unbesetzt, immer weniger junge Pflegende rücken nach, zeitgleich gehen immer mehr Alte in den Ruhestand. Aus meinem Ausbildungskurs der 1999 endete sind 3 Ins Ausland gegangen und mehrere haben den Beruf verlassen.
    Um hier eine Kehrtwende zu schaffen müssen sich die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen verbessern, hierzu gehören kreativere Arbeitszeiten um Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können, eine bessere Bezahlung. Die Verbindlichkeit der Dienstplanung für beide Seiten, um den Pflegenden eine sichere Freizeitplanung zu ermöglichen.
    Ebenso sind Gedanken über die Schaffung von 24 Stunden Kinderbetreuung etc für Pflegende Eltern eine Option.

    Die Pflegeberufe als solche müssen Aufgewertet werden, hierzu können Spezialisierungen wie zum Beispiel Wundmanagement zählen, ebenso wie die Akademisierung der Berufe. Eine Entwicklungsmöglichkeit innerhalb der Berufe würde ebenfalls helfen. Ganz wichtig wäre mir endlich eine Anerkennung als eigenständiger Beruf, derzeit schwebt die Pflege (vor allem im Krankenhaus) noch als Erfüllungsgehilfe des Arztes durch die Rechtsprechung. Hier ändern sich zwar gerade die Urteile, aber der Gesetzgeber hinkt da deutlich hinterher. Die Folge sind Unsicherheiten bei allen beteiligten. Das Bestreben eine Pflegekammer einzurichten ist ein Anzeichen das die Pflegenden eine solche Eigenständigkeit wünschen.

    Die jetzt beschlossene Reform ist für mich ein Schlag in das Gesicht aller Pflegenden, hier würden aus drei Berufen die Bisher je 3 Jahre ausgebildet wurden ein Beruf mit einer dreijährigen Ausbildung geschaffen. Auch wenn es sicherlich viele Überschneidungen gibt so ist diese Zusammenkürzung auf drei Jahre sicher mit einem Qualitätsverlust für die Ausbildung verbunden. Eine solche Flickschusterei ist weder im sinne der Pflegebedürftigen, noch der Pflegenden.

  • Christian Oberberg

    17. Juli 2017 at 13:45 Antworten

    Diese moderate Kommentierung macht mich unruhig! Es war die große Koalition, die mit dieser „Reform“ die künftige Ausbildungssituation in den Pflegeberufen unnötig und ignorant erschwert hat. Auf die Hinweise des Deutschen Pflegerates oder der Berufsverbände der Pflege wurde nicht geachtet; ihre Vertreter/innen waren gar nicht einbezogen. Entsprechend schlecht ist das Ergebnis. Ich erlebe nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat keine „Katerstimmung“ (- als hätte man toll zusammen gefeiert und es dabei etwas übertrieben …), sondern Unverständnis, Empörung und vor allem: Verunsicherung. Es ist nicht klar, zu welchem Berufsbild eigentlich ausgebildet werden soll. Es ist nicht klar, für welchen Beruf sich Auszubildende da entscheiden können sollen.
    Das Gesetz ist schlecht. Wenn Pflegende eine solche Ergnisqualität lieferten, würden sie fliegen! Trotz Fachkräftemangels!

    • Elisabeth Scharfenberg

      18. Juli 2017 at 10:15 Antworten

      Eine öffentliche Anhörung zu ihrem Kompromiss bei der Reform der Pflegeausbildung hat die Große Koalition trotz des Antrags der Oppositionsfraktionen leider abgelehnt. Bei einem so tiefgreifenden Gesetz auf Transparenz und demokratische Verfahren zu pfeifen, ist ein fragwürdiger Vorgang. Ich denke, Union und SPD haben sich für dieses Gesetz gefeiert – ob bei ihnen irgendwann Katerstimmung einsetzt, bleibt abzuwarten.

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