Pflege in die Prime Time!

Pflege in der "Zeit"

Pflege in die Prime Time!

Letzte Woche am Zeitungskiosk: Pflege auf der Titelseite der „Zeit“. Dienstagabend 22.15 Uhr im ZDF: „Die Anstalt“ holt die Pflege auf die Bühne – als abendfüllendes Thema. Was ist da los?

„Auf diese Frau ist Deutschland angewiesen – Aber warum wird die Pflegerin Heike Noe so schlecht bezahlt?“ lautete der Titel in der „Zeit“. Der Artikel analysiert: Unser krankes Gesundheitssystem ist eine der Ursachen für die schlechte Lohnsituation. Dann sind da die Investoren, die mit der Pflege unmoralische Gewinne generieren wollen und damit die Bezahlung ihrer Pflegekräfte bis zur Schmerzgrenze nach unten drücken. Und nicht zuletzt: Die Persönlichkeitsstruktur vieler Pflegerinnen und Pfleger, die dieses System ungewollt unterstützen. Die unzureichende berufspolitische Vertretung und der geringe Organisationsgrad der Pflege in Gewerkschaften scheint daraufhin zu deuten, dass Pflegende nicht für ihre Belange kämpfen wollen. Vielleicht, weil sie in einem helfenden, selbstlosen Beruf arbeiten. Vielleicht aber auch, weil sie die Kraft nicht haben neben der anstrengenden Pflege. Und doch wäre eine starke Stimme der Pflege so notwendig.

"Die Zeit" schreibt über Pflege

Was mich überrascht und gefreut hat: Die Online-Umfrage, die ich im Jahr 2016 durchgeführt habe, wird in dem „Zeit“-Artikel immer wieder angesprochen. Was bewegt Menschen in der Pflege zu arbeiten, wie sieht es mit der Lohnzufriedenheit aus, würde der Beruf wieder ergriffen werden. Immerhin 4.500 Pflegekräfte hatten damals auf meine Fragen geantwortet und ihre Aussagen werden hier zitiert. Endlich lese ich in der Presse die Fragen, die mich damals umtrieben: Welche Veränderungen wünschen sich die Pflegenden selbst? Wie empfinden sie ihren Beruf? Endlich lese ich einen ausführlichen Artikel über Pflege, der nicht skandalisiert, sondern analysiert und bei Betroffenen nachfragt. Der keinen aktuellen Aufreger als Anlass benötigt, sondern das Thema zur Sprache bringt, das eigentlich ein Daueraufreger sein sollte: Wie gehen wir hierzulande mit unseren alten Menschen um und mit denen, die sie pflegen?

Aber damit nicht genug. Dieses Thema schaffte es auch in der politischen Kabarett-Sendung „Die Anstalt“ auf die Bühne. Einstieg: „Es geht um Pflegenotstand. Wir wollten mal was Politisches machen…!“ Dann Carolin Kebekus als Pflegekraft kurz vorm Burnout:  „Wenn ich sprinte, dann schaffe ich es, dass nur die Hälfte der Bewohner unterversorgt ist…“ Alltag in der Pflege – Lacher in der Comedy. Hat nicht schon Till Eulenspiegel den Mächtigen den Spiegel vorgehalten? Auch CareSlam kommt zu Wort. Beeindruckend, wie die Pflegerin Sabrina Maar den Pflegenotstand in Worte packt. Und Pflege in Bewegung ist dabei. Für mich war es die reine Freude, die Menschen im Fernsehen zu sehen, die sich schon lange engagieren. Im Beruf und auch berufspolitisch. Sie wurden bislang nicht angemessen wahrgenommen.

In meinem Podcast „Aktiv für die Pflege“ sprach ich im vergangenen Sommer mit Yvonne Falckner, gelernte Krankenschwester und freie Dozentin, die Pflegenden eine Bühne und ein Mikro bietet, damit sie in die Öffentlichkeit gehen, und einem Altenpfleger, der aus Liebe zu seinem Beruf diesem zeitweise den Rücken kehrte: Roger Konrad. Mit von der Partie war auch Marcus Jogerst-Ratzka, ein Heimleiter, der in seiner Einrichtung qualitativ gute Pflege bietet, sich aber mit frustrierten Pflegekräften öffentlich auf den Boden legt. Unsere Wege hatten sich einige Male gekreuzt, unter anderem am Brandenburger Tor am Tag der Pflege. Dort standen sie, um zu demonstrieren: Die Bedingungen in der Pflege sind katastrophal. Mit einer “bundesweiten Gefährdungsanzeige” wollen sie der Politik und den Pflegekonzernen die rote Karte zeigen. Damals waren überschaubare 50 Menschen vor Ort. Ein Skandal, wie ich finde.

Und jetzt haben sie es ins Fernsehen geschafft! Es ist ein weiterer Schritt hin zur wirklichen Wahrnehmung des Pflegenotstandes in unserem Land. In den serösen Medien und auch in der Politik – die Hoffnung stirbt zuletzt! Doch es muss weitergehen. Ich will mehr Pflege auf den Titelseiten sehen, ich will, dass in Talkshows darüber diskutiert wird, dass mehr Pflegende zu Wort kommen, dass keiner mehr wegsehen kann. So sehr ich mich freue, dass die Pflege es spätabends in eine Sendung schafft, die eine Stimme sein will für „Ungehörtes und Unerhörtes“ – ich finde, wir sollten am Sonntagabend statt Tatort oder Rosamunde Pilcher  Sendungen zum Pflegenotstand in unserem Land zeigen. Pflege in die Prime Time!

Können wir das erreichen? Und wie können wir es schaffen, dass genügend Menschen zusehen?

Schreibt es mir.

Eure

2 Comments
  • Andreas Köhnlein

    26. Dezember 2017 at 16:31 Antworten

    Liebe Pflegende, das oben Gesagte muss unterstützt und 1000fach verbreitet werden damit diese Katastrophe in Deutschland endlich beendet oder wenigstens verbessert wird. Als seit 25 Jahren in der Schweiz arbeitender Deutscher Anästhesiearzt erlebe ich hier, wie der Pflegeberuf (auch auf den Abteilungen) ernst genommen wird, die Bezahlung von den meisten als angemessen bis gut betrachtet wird und der Stellenschlüssel im Allgemeinen ebenfalls gut ist.
    Deutsch Pflegende sollten sich allerdings überlegen, ob sie nicht wie hier oder in vielen anderen Ländern mehr Verantwortung übernehmen wollen um damit den Beruf aufzuwerten. In der Schweiz ist es normal dass Pflegende Blut abnehmen, i.v. Spritzen geben und vieles mehr. Dies ist allgemein anerkannt für ausgebildete Kräfte und dafür braucht es dann nicht jedes Mal eine extra ärztliche Delegation. Mit scheint dass in Deutschland die gleiche Diskussion seit 30 Jahren läuft und immer scheint es noch so zu sein, dass beispielsweise Assistenzärzte Blut abnehmen müssen (ein no go in der Schweiz – dies ist klar Aufgabe der Pflege). In der Anästhesie lernen die Fachkräfte z.b. intubieren und selbständige Narkoseführung (in Delegation) und führen diese durch. Unabhängig davon: Eins ist sicher, nur wer sich organisiert und für seinen Berufsstand kämpft wird irgendwann eine Verbesserung erreichen. Dafür wünsche ich viel Kraft und Erfolg.

  • Steju

    12. Dezember 2017 at 0:51 Antworten

    Ich sag nur noch DISCOUNTER-NURSE….beschreibt inhaltlich einfach nur das was in diesem Land weit verbreitet ist, viele wollen alles, einfach nur günstig, für gescheite “ Wäre“ wird nicht gerne etwas ausgegeben….Krankenschwestern oder Pfleger werden nach Tarif von MFA’s bezahlt ( diese Berufsgruppe ist natürlich auch völlig unterbezahlt), ist halt wieder die näxhste Fehlkalkulation, wenn verschiedene Berufsgruppen wie Altenpflege, MFA und Krankenpflege zusammengeschmissen werden und daraus dann nur noch eine Berufsgruppe wird, die Pflegefachkraft….das wird nicht besser dadurch…ich habe gestreikt, habe etliche Gesprächsrunden mit Plegedirektoren hinter mir, und für was…es wird noch viel maroder in der Pflege…ich arbeite seit knapp 30 Jahren in der Pflege…und bin mit Ende 40 ein Frack,…und im Alter dann auf Sozialhilfe angewiesen….schönen Dank auch….Wo ist das Leistungsniveau, eine examinierte Krankenschwester verdient 1,50 € mehr wie eine Aushilfe ohne Ausbildung, noch nicht mal die 1jährige Ausbildung ist dabei….mir fällt zu dem ganzen nichts mehr ein….im Ausland pflegt es sich besser….

Kommentare