Was ist gerecht?
„Das finde ich ungerecht!“ – „Das ist nicht fair!“ Wie oft hören wir solche Sätze? Gerade bei der Fußball-EM ja ein Dauerbrenner.
Gerechtigkeit – ein großes Versprechen steckt in diesem Wort. Aber was ist gerecht? Wenn alle das Gleiche bekommen? Das kann für den einen zu wenig sein und für den anderen mehr, als er braucht. Unsere Verfassung hat das eigentlich klar geregelt: Die unverletzlichen Menschenrechte sind die „Grundlage von Gerechtigkeit“. Niemand darf benachteiligt werden aufgrund seiner Herkunft, seines Glaubens, seines Geschlechts. Aber leben wir das? Warum gehen bei uns in Deutschland weniger Arbeiterkinder zur Uni als irgendwo anders in Europa? Warum haben bei uns Frauen, trotz guter Qualifikationen, schlechtere Aufstiegschancen? Jedes Jahr am Equal Pay Day stehen wir Frauen am Brandenburger Tor und demonstrieren für Lohn- und Chancengleichheit.
Wir sehen es alle: Die soziale Schere geht immer weiter auseinander. Reiche werden reicher und bleiben es über Generationen. Arme werden ärmer und bleiben es ebenfalls. Und wir sehen, dass der Buchhändler an der Ecke mehr für den Erhalt des öffentlichen Schwimmbades tut, als der Weltkonzern Starbucks. Der verdient hierzulande zwar viel Geld, zahlt aber keine Steuern. Gerechtigkeit sieht anders aus.
„Gerecht ist, wenn jeder sein Leben gut gestalten kann – und dafür die gleichen Chancen bekommt.“
Auf unserem grünen Gerechtigkeitskongress haben wir alle Facetten des Themas angeschaut. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte, dass die Lebensrisiken – Alter, Pflege, Krankheit – nicht individuell zu lösen sind. Unser Ziel als Gesellschaft muss es sein, ohne Existenzängste leben zu können – gerade auch im Alter. Wer sein Leben lang gearbeitet, vielleicht Kinder großgezogen und Angehörige gepflegt hat, der sollte nicht Angst haben müssen, im Alter zu verarmen und sich selbst keine gute Pflege mehr leisten zu können. Aber wie viele Menschen leben mit der täglichen Existenzangst? Das Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft gilt heute nicht mehr. Die unteren 40 Prozent dieser Gesellschaft sind abgehängt. In Deutschland heißt es derzeit nicht mehr „Wohlstand für alle“, sondern „wer unten ist, bleibt unten“.
Was ist gerecht? Es ist für mich gerecht, die finanzielle Hilfe zu erhalten, die man braucht. Es ist für mich gerecht, als junger Mensch faire Chancen zu haben, um zu persönlicher Bestform auflaufen zu können. Es ist für mich gerecht, als alter Mensch in Würde leben zu können ohne Existenzangst.
Für mich ist Bildung hier ein ganz wichtiger Schlüssel. Bildung kostet Geld. Besser als in Bildung kann Geld in einer Gesellschaft kaum investiert werden. Für mich zählt darum nicht die schwarze Null im Bundeshaushalt. Chancen auf gute Bildung, auf gute Ausbildung, auf einen Uni-Abschluss, auf Berufserfolg dürfen keine Erbgüter sein. Hier brauchen wir Chancengleichheit für alle, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Alter. Und das nicht nur auf dem Papier, sondern im echten Leben.
Ihre
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