Zwischen den Zeilen

Soziale Medien

Zwischen den Zeilen

In unserer Sprache stecken viele Zwischentöne. Sie rufen Gedanken und Gefühle hervor – sie senden Botschaften zwischen den Zeilen. Bestimmte Worte und Klänge lösen Assoziationen aus, die ganz persönlich sind. Ich höre jeden Oberfranken an seiner Sprachmelodie heraus und denke an Zuhause. Und beim Wort „Klöß“ rieche ich buchstäblich den Braten in brauner Soße und fühle die sonntägliche Freiheit.

Andere Begriffe gehören zum kollektiven Gedächtnis. Wer sie benutzt, stellt den Zusammenhang her, aus dem sie stammen. Wer heute die kritische Presse als „Lügenpresse“ bezeichnet, wer das „Völkische“ wieder salonfähig machen möchte oder von „Umvolkung“ spricht, wenn er Flüchtlinge meint, der stellt einen Zusammenhang her zu der Zeit, aus der diese Begriffe stammen – zum Nationalsozialismus. Er lässt damit eine Zeit aufleben, als Europa im Krieg versank, als Menschenrechte in Deutschland nichts galten, als der unfassbare Massenmord an den europäischen Juden verübt wurde, als niemand durch Bürgerrechte geschützt war, als es keine Versammlungsfreiheit und keine Pressefreiheit gab. Mit menschenverachtender Ideologie, staatlicher Willkür und roher Gewalt wurde verfolgt, wer sich nicht fügte oder nicht ins Bild der Nazis passte. Der Begriff „Lügenpresse“ war der Kampfbegriff gegen eine unabhängige Presse – die Abwehr gegen unbequeme Kritiker.

Worte aus der braunen Mottenkiste

 

Wer „Lügenpresse“ sagt, sendet also eine klare Botschaft: Die freien Medien als Quelle von Information und Aufklärung, als wesentlicher Bestandteil der Demokratie werden rundweg abgelehnt. Eine zufällige, „unglückliche“ Wortwahl? Das kann vorkommen, aber nicht, wenn man sich regelmäßig aus der braunen Mottenkiste bedient und es hinterher ganz anders gemeint haben will. Wer so vorgeht, sendet bewusst Botschaften zwischen den Zeilen.

Nur eben so herausgerutscht? Mit der Maus verrutscht? Und das immer wieder? Das ist kein Zufall. Gerade zwischen den Zeilen ist zu lesen, wes Geistes Kind einer ist. Wir sollten genau hinhören, was mitschwingt und die Botschaften zwischen den Zeilen verstehen. Wir sollten sie in klare Worte übersetzen und  ins Licht stellen, damit deutlich wird: DAS ist wirklich gemeint. Später soll niemand sagen: Das habe ich aber nicht gewollt!

Ihre

Elisabeth Scharfenberg

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