Pflege braucht Menschen, die ihrem Team mehr zutrauen – Gastbeitrag von Claudia Henrichs zum Aktivcamp Pflege
Beim Aktivcamp Pflege am 27. Oktober treffen sich im betahaus in Berlin engagierte Menschen, die etwas in der Pflege verändern wollen. Viele von ihnen haben ein Thema, das ihnen in der Pflege besonders am Herzen liegt und das sie beim Aktivcamp diskutieren und voranbringen werden. Ich freue mich sehr, dass einige von ihnen auf meinem Blog ihr Thema und ihren Grund vorstellen, am Aktivcamp teilzunehmen. Der heutige Gastbeitrag kommt von einer Expertin für wirkungsvolle Kommunikation in der Pflege: Claudia Henrichs von PFLEGE.ambulant. Diesen Beitrag können Sie auf ihrer Seite auch als Podcast hören.
Fast immer in meinen Workshops mit Leitungskräften aus der ambulanten Pflege kommt der Moment, in dem ich sage: Jetzt kommt die verstörendste Information unserer Veranstaltung.
Und dann erzähle ich von einem Mann, der 2006 keine Lust mehr auf minutengetaktete Pflege hatte und mit einer Handvoll Kollegen und Kolleginnen sein eigenes Pflegeunternehmen gründete. Dann frage ich: Was glaubt Ihr, wie viele Mitarbeitende dieses Pflegeunternehmen jetzt hat?
Niemand, wirklich niemand ist bisher mit seiner Schätzung bei 9000 gelandet. Ungläubiges Erstaunen rufe ich hervor, wenn ich erzähle, dass dieses Unternehmen im Monat 400 Initiativbewerbungen bekommt.
Kenner wissen es schon längst. Bei diesem Pflegeunternehmen aus den Niederlanden geht es um Buurtzorg (Nachbarschaftshilfe) und sein Gründer ist Jos de Blok. Buurtzorg habe ich aus dem Buch Reinventig Organizations von Frederik Laloux kennen gelernt. Das Buch ist in Deutsch geschrieben. Frederic Laloux stellt in diesem Buch mehrere Unternehmen vor, die sich für eine sinnstiftendere Form der Zusammenarbeit entschieden haben. Dazu gehört eben auch Buurtzorg.
Von Beginn an war ich begeistert. Niederlande. Ein Land in unserer Nachbarschaft. Das müssen wir doch auch hinbekommen, habe ich gedacht. Von wegen. Viele, mit denen ich gesprochen habe, winkten ab. Dort sei alles anders. Das lasse sich nicht auf Deutschland übertragen. Und es geht doch! Nicht 1:1. Das muss auch nicht sein. Es gibt mutige Pflegeunternehmen in ganz Deutschland, die begonnen haben Elemente des Buurtzorg Ansatzes zu übernehmen.
Eine Initiative in diese Richtung ist das Aktivcamp Pflege vom Team Scharfenberg. Bereits im letzten Jahr haben sich beim Augenhöhe Pflegecamp zum ersten Mal mutige Menschen aus der Pflege getroffen, die sich trauen, etwas anders zu machen. Die ihren Mitarbeitenden mehr zutrauen. Sie mehr beteiligen, mehr Verantwortung übertragen und auf die Selbstwirksamkeit der Menschen vertrauen. Dieses Jahr bin ich nun auch dabei. Beim Aktivcamp Pflege am 27. Oktober in Berlin. Und ganz gerne nehme ich das Angebot von Elisabeth Scharfenberg an, einen Gastbeitrag auf Ihrer Blogseite zu schreiben.
Wie finde ich gutes Personal?
Ein existenzielles Thema seit langem. Gerade in den Sommermonaten haben viele Pflegeunternehmen kaum noch ihre Touren besetzen können. Personalmangel. Hohe Krankheitsquote. Stress. Burnout.
Ich formuliere die Frage gleich einmal um in: Wie finde ich das RICHTIGE Personal? Die Menschen, die zu meinem Unternehmen passen? Zu uns und unserer Kultur. Personal finden fängt aus meiner Sicht viel viel früher an als mit dem Schalten einer Stellenanzeige in den unterschiedlichen Medien.
Menschen entscheiden sich für Menschen.
Menschen entscheiden sich für Menschen und für das wofür diese Menschen stehen. Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Was ist unser Beitrag in unserer Gesellschaft? Was ist das WOZU unseres Pflegeunternehmens? Kurz: Was ist der Sinn und Zweck, warum es uns gibt?
Diese Frage gilt es als erstes zu bearbeiten. Nein, aus meiner Sicht reicht das Leitbild nicht aus! Meistens sind das schöne und viele Worte, die kaum einer kennt oder den Sinn derer in seiner Arbeitsumgebung nicht wiederfindet.
Die oben genannten Fragen gilt es mit dem Team zu bearbeiten. Meistens reichen ein zwei Sätze. Hier ist der Sinn von Buurtzorg: Alten und kranken Menschen ein selbstständiges sinnvolles Leben ermöglichen.
Das unterscheidet sich wahrscheinlich nicht, von dem Grund, warum so viele wunderbare Menschen sich für den Pflegeberuf entschieden haben. Der Unterschied zu vielen Pflegeunternehmen bei uns ist aus meiner Sicht ist, dass diese Vision in vielen Pflegeunternehmen nicht wirklich im Fokus steht.
Der Sinn in der Stellenanzeige von Buurtzorg
Wenn Sie Ihren Sinn erarbeitet haben, dann muss er sich im gesamten Bewerbungs- und Führungs- und Organisationssteuerungsprozess wiederfinden.
In der Stellenanzeige von Buurtzorg heißt es: In unserem Team stehen unsere Kunden an erster Stelle. Teamgeist ist sehr wichtig. Jeder hat seine eigenen Qualitäten. Wir sind kollegial, fair und denken positiv. Wir teilen Schönes und Trauriges. Gemeinsam müssen wir etwas tun und wir wollen in die Zukunft schauen. Die Überschrift lautet übrigens: Wir suchen begeisterte Krankenschwestern, die unser Team verstärken.
Wenn ein Interessent, eine Interessentin diese Stellenanzeige liest, kann sie abgleichen, ob ihr individueller Sinn mit dem der Organisation zusammenpasst. Deshalb sage ich: „Finden Sie die RICHTIGEN Mitarbeitenden.“
Frederic Laloux schreibt dazu „Wenn der individuelle Sinn und der Sinn der Organisation miteinander in Resonanz treten und einander verstärken, dann wird etwas ganz Außergewöhnliches möglich.“
Übrigens, viele, die hier in Deutschland über Buurtzorg lächelten, weil sich so eine Wattebäuschen-Mentalität nicht rechnen würde, wurden eher kleinlaut. Mittlerweile haben nämlich zwei Wirtschaftsprüfungsunternehmen auch den wirtschaftlichen Erfolg bestätigt. Und zusätzlich die höchste Patientenzufriedenheit im Vergleich zu allen anderen Pflegeunternehmen.
Der Bewerbungsprozess
Hier nur in Kürze einige Stichpunkte.
- Selbstredend, dass jede Bewerbung innerhalb kürzester Zeit individuell und persönlich beantwortet wird.
- Am Bewerbungsgespräch nehmen Mitarbeitende aus dem Team teil.
- Eine wesentliche Frage im Bewerbungsgespräch lautet bei Buurtzorg: Welche einzigartigen Talente und Fähigkeiten können Sie in unseren Pflegedienst einbringen. Das Gespräch ist dazu da, um zu klären „ob wir das Gefühl haben, für einen gemeinsamen Weg bestimmt zu sein!“
- Die Einarbeitungszeit wird von einem Mentor, bzw. einer Mentorin begleitet
- Wachstum und Entwicklung speilt eine große Rolle. Weiterbildung ist kein Defizit-Reparaturbetrieb sondern eine Chance für Wachstum für alle Beteiligten
- Es herrscht eine Vertrauenskultur nach dem Motto, jeder handelt und entscheidet im Sinne unserer Vision.
- Stellt sich im nachhinein heraus, dass die Entscheidung nicht zum Ziel geführt hat, wird überlegt, was in der Zukunft anders gemacht werden und inwieweit das Pflegeunternehmen davon profitieren kann. Chancenkultur.
- Die Haltung, dass jede/r neue Mitarbeiter/in das System verändert und bereichert und genau das auch gewollt ist, ist erlebbar und wird deutlich kommuniziert.
Wenn Du, wenn Sie jetzt Lust und Mut haben, über den Tellerrand hinauszuschauen, dann sehen wir uns im Aktivcamp Pflege am 27. Oktober in Berlin.
Ach übrigens: Dort gibt es kein betreutes Lesen via PowerPoint sondern aktiven Austausch. Denn jede Idee ist wichtig und muss gehört werden.
Liebe Grüße von Claudia und wir sehen uns in Berlin
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